Zum Jahresabschluss starte ich mit einer Floskel: Nichts ist so beständig, wie der Wandel! Ja. Verstanden. Ich höre das überall. Allerdings wird das nächste Jahrzehnt unsere Branche komplett auf den Kopf stellen. Ich wage mal einen Versuch und schreibe einen Hartig-Blog für das Jahr 2029 ...
Wissen Sie noch? Damals? Im Jahr 2019? Wir fuhren fossile Verbrenner. Die zweite automobile Revolution war in den Kinderschuhen. Amerika und China bauten E-Autos. Wir Deutsche, die Erfinder des Automobils, taten uns seinerzeit schwer, zu verstehen, was da vor sich geht. Wir liebten den Sound unserer seidenweich laufenden Reihensechszylinder genauso wie die Wirtschaftlichkeit unserer TDI Motoren. Wir waren Technologievorreiter. Es war wichtig, mit einer Tankfüllung über 1.000 km Reichweite an Board zu haben. Und dieser Wahnsinn mit den ersten Elektroautos: 300 km schafften die gerade mal. Und wenn es kalt wurde im Winter, musstest du bangen, überhaupt noch nach Hause zu kommen.
Dabei war das mit den Elektroautos ja nur der Auftakt zu etwas viel größerem. Individualverkehr war damals, im Jahr 2019 eine Frage von Status. Karriere wurde unter anderem an der Größe des Dienstwagens bemessen. Das galt zumindest für die meisten bis Jahrgang 1980. Die Beförderung zum Abteilungsleiter ging oft mit einem Audi A4 einher. Und warst du im Außendienst, musste es schon ein A6 sein. Oder ein 5er von BMW. Besitz war wichtig. Es gab diese Sparkassenwerbung mit "Mein Haus, mein Garten, mein Jaguar ...".
Und dann ging es eigentlich ganz schnell. Waymo hat damit 2019 in Phoenix Arizona begonnen. Die ersten fahrerlosen Autos wurden gesichtet. Sie firmierten unter dem Begriff "Robotertaxis". Merkwürdig. Waymo beherrschte damals längst den autonomen Fahrbetrieb. Man hatte aber Sorge, wie die Öffentlichkeit darauf reagierte. Daher gab man den Dienst ganz vorsichtig an einen ausgewählten Nutzerkreis frei. Und man installierte Kameras um zu beobachten, wie die Mitfahrer reagierten, wenn da keiner mehr hinter dem Lenkrad sitzt. Und als man merkte, dass die Fahrgäste nur wenige Minuten brauchten um Vertrauen in das fahrerlose Auto zu gewinnen, entschloss man sich bei Waymo, diese Videos viral zu stellen.
Und die Öffentlichkeit reagierte. Immer mehr Nutzer bewarben sich bei Waymo. Immer mehr Städte wurden für den Dienst freigeschaltet. Die "Generation Z", die für sich verstanden hatte, dass es nicht um "Besitzen" geht, sondern um "Benutzen", kam zu dem Schluss, dass die Investition in ein eigenes Auto keinen Sinn mehr macht. Den Rentnern ging es nicht anders. Autonome Taxen waren ihr Schlüssel zur Mobilität ohne die typischen Parkrempler und Vorfahrtsverletzungen, mit denen sie die letzten Jahre zu kämpfen hatten. Und das "Viertele" Rotwein war auch kein Problem mehr.
Tesla stellte 2019 den Cybertruck vor. Ein Auto, dass aussieht, als hätte es ein Sechsjähriger gemalt. Und wieder wurde eine rote Linie überschritten. Der Cybertruck war das erste Elektroauto, welches keine Motorhaube mehr hatte. Warum auch? Die Entrüstung war 2019 groß. Inzwischen haben wir uns an die neuen Formen unserer Autos gewöhnt. Aber das war zu Zeiten der ersten automobilen Revolution nicht anders. Der Motorwagen Nummer 1 von Carl Benz sah auch mehr nach Pferdekutsche denn nach Auto aus.
2023 kam Waymo nach Europa. Zeitgleich wurden die Robtertaxen in Brüssel, Berlin, Rom und weiteren europäischen Hauptstätten eingeführt. Es war ein bisschen wie eine Besetzung. Die Werbespots der deutschen Automobilhersteller zielten zu dieser Zeit immer noch darauf ab, im eigenen Pkw vor dem eigenen Haus in der eigenen Garage zu parken. Natürlich lernte auch ein Mercedes in dieser Zeit autonom zu fahren. Die Ideen der Chinesen und der Deutschen, was man mit autonomen Autos anstellen sollte, gingen aber stark auseinander. Während im Mercedes-Spot das Auto, nachdem es die Familie beim Italiener abgeladen hatte, eigenständig einen Parkplatz suchte, verdienten die Fahrzeuge von BYD für ihre Besitzer Geld. Sie suchten nicht nach Parkplätzen sondern nach Fahrgästen.
Das war wie ein Ventil für die bis dahin hoffnungslos zugeparkten und feinstaubbelasteten Innenstädte. Wuppertal rechnete 2023 vor, dass mit Robotertaxen die Verkehrsleistung im Stadtgebiet mit einem Drittel der Fahrzeuge bewerkstelligt werden könne - und Wuppertal hat ernst gemacht: 2025 war das Stadtgebiet nur noch mit autonomen Taxen zugänglich. Aus Parkhäusern wurden Wohnungen, Parkplätze wurden zu Grünanalgen umfunktioniert. Heute gilt Wuppertal als Vorreiter infrastruktureller Verkehrsplanung.
2025 hat TESLA in seinen Fahrzeugen neue Batterien vorgestellt. Der Kauf von Maxwell Technologies im Jahr 2018 machte die Einführung einer neuen Technologoie möglich: Super Kondensatoren + Hyper Charger. Die Fahrzeuge können nun in 2 Sekunden auf eine Reichweite von 500 km geladen werden. Und sie müssen dafür nicht einmal anhalten. Tesla führte diese Technologie mit einem Spot ein, der uns an "Zurück in die Zukunft", "Doc Brown" und seinen Blitz mit 1.21 Gigawatt erinnerte.
Die Hyper Charger hatten einen positiven sowie einen negativen Effekt. Positiv war, dass Elektroautos von diesem Tag an deutlich leichter und kleiner wurden. Nahezu alle Fahrzeughersteller sprangen auf diesen Zug auf. Zeitgleich war mit dieser Erfindung die jahrhundertlange Ingenieurskunst deutscher Verbrennungsmotoren endgültig pulverisiert. Noch heute knabbern wir an den Folgen der Entlassungswellen der Automobilzulieferer.
2025 war dann auch der Umbruch der Fahrschulbranche. Mit Schmunzeln blicken wir heute auf den Tanzkurs und die 3 Pedale zurück, die uns jahrzehntelang beschäftigt haben. Schaltwagen und Verbrennungsmotoren, Fahrzeugtechnik und Betriebsflüssigkeiten sind heute nur noch etwas für Spezialisten. Statt dessen ist es den 4.500 Fahrschulen in Deutschland gelungen, Ausbildungskonzepte und Geschäftsmodelle zu verändern. Arbeitszeiten von Mobilitätstrainern sind familientauglich geworden. Aus Fahrschulen wurden Mobilitätsakademien. Es geht immer weniger um das Erlernen komplexer Handlungsabläufe, sondern viel mehr um die Wahl sinnstiftender Mobilitätsformen und -konzepte. Der Kundenkreis dieser Mobilitätsakademien reicht heute weit über 80-jährige hinaus. Aktuell diskutieren wir gerade die Mobilitätserlaubnis ab 12 Jahren.
Was uns 2029 beschäftigt, ist die 3. Dimension. Es gibt Tendenzen, Individualverkehr von der Erdoberfläche zu verbannen. Zur Diskussion stehen MOHORBs, molekulare Horizontalbeschleuniger. Aber das klingt 2029 noch nach ferner Zukunft und ist für viele unvorstellbar ...
Na? Wie geht es Ihnen beim Lesen? Völlig unvorstellbar, oder? Da ist ihm die Phantasie durchgegangen. Der spinnt!
Sie haben Recht. Alles was da steht, ist meiner Phantasie enttsprungen. Und die ist lebhaft. Und dennoch würde ich gerade gerne in Ihren Bauch reinhören. Vielleicht haben Sie sich dabei ertappt, dass das ein oder andere doch gar nicht so utopisch klingt.
Sei es drum - wir wissen es nicht. Niemand kann heute voraussagen, wie es in 10 Jahren aussieht. Sicher ist nur: Die Welt 2029 wird sich von der Welt 2019 deutlich unterscheiden. Wir werden diese Veränderung nicht aufhalten (können). Und daher möchte ich Sie über den Jahreswechsel zu zwei Dingen auffordern:
- Schreiben Sie Ihre Geschichte. Wie sieht Ihr 2029 aus? Schreiben Sie es auf. Und lassen Sie mich daran teilhaben. Ich bin sehr gespannt.
- Seien Sie mutig. Denken Sie neu. Stellen Sie Gewohntes in Frage. Werden Sie zu "Pippi Langstrumpf": Bauen Sie sich die Welt ein kleines Stückchen so, wie sie Ihnen gefällt. Wenn Sie möchten. Und so lange Sie die Möglichkeit dazu haben. In meinem Dafürhalten ist das besser, als zu Klagen.
Wir als FORTBILDUNG33.de werden auch 2020 bei allem was wir tun, den Status Quo in Frage stellen. Wir möchten mit Ihnen Zukunft gestalten. Gemeinsam werden wir die Branche wandeln. Und wir werden dabei nicht mit dem Finger auf Politik und Verbände zeigen. Wir werden Tun. Mit Leidenschaft. Mit Neugier. Mit einer ordentlichen Portion Verrücktheit. Und immer mit Mut.
Dankeschön, dass Sie dabei sind. Dankeschön, dass wir Sie zu unseren Kunden zählen dürfen. Dankeschön für dieses Vertrauen in uns. Wir werden auch 2020 mit allem was wir haben, mit Mann, Frau und Maus Ihren Vorschuss in uns rechtfertigen.
Wir - das ist die komplette Mannschaft des Innendienstes - das ist das gesamte Trainerteam - das ist die Softwareentwicklung Rund um Fahrschulccockpit - wir wünschen Ihnen tolle Gedanken, schöne Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahrzehnt! Wir sind stolz, mit Ihnen aufzubrechen!
Ihr Nils Hartig
Weihnachten 2019