Sie wollen lieber zuhören als lesen? Jetzt den Juni 2019 Blogbeitrag im Audioformat hören!
Also da herrscht ja gerade regelrechte Hysterie. Seit Frau Bartelt-Lehrfeld verkündet hat, es stehe zeitnah eine Lösung zum Automatikeintrag an. Und wenn ich so durch die einschlägigen Foren lese, dann kann ich mich manchmal kaum halten. Zeit also, die Themen zu ordnen:
Es ist unstrittig. Wir Fahrschulen verwenden sehr viel Zeit in der Ausbildung unserer Kunden, Automatismen zu trainieren, die es immer seltener geben wird. Die Zulassungsstatistik von Fahrzeugen ist eindeutig. Es gibt immer mehr Menschen, die sich beim Kauf eines Autos bewusst gegen manuelles Bedienen von Kupplung und Getriebe entscheiden. Und natürlich ist es ein Bruch mit dem, was in meiner Generation der Status quo war. Schalten war sportlich, Automatik war etwas für Typen, die es nicht kapieren. Oder für Rentner.
Was machen wir da eigentlich in der Ausbildung?
Wenn ich nun mit Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern spreche, höre ich sehr schnell, dass der Schüler von heute immer weniger Motivation und auch immer weniger Kompetenz in Sachen Fahrzeugbedienung mitbringt. Eigentlich wünschten wir uns einen Schwarzfahrer, der den Umgang mit Gas und Kupplung bereits kann. Dann müssen wir das nicht alles im Auto durchackern. Aber diese Schwarzfahrer gehören eben einer aussterbenden Gattung an. Also verwenden wir in der Ausbildung einen erheblichen Anteil der Zeit darauf, Fahrzeugbedienung zu trainieren. Ich verschärfe das mal: Wir üben wie im Tanzkurs die Koordination von Fuß- und Handbewegungen. Stundenlang.
Aber wofür?
Das ist doch die eigentliche Frage. Was soll dieses Trainieren von Gas und Schleifpunkt? Dieses Sortieren von Gängen. Und idealerweise nach den Grundsätzen der energiesparenden Fahrweise. Was soll das?
Machen wir das für die Verkehrssicherheit? Hilft es, die Zahl von Verkehrsverletzten oder -toten zu reduzieren? Dient es der Verkehrsbeobachtung? Machen wir es, weil wir Spaß daran haben? Steht unser Kunde darauf? Oder ist die ehrliche Antwort eigentlich: "Weil man das beim Autofahrenlernen schon immer so gemacht hat!"?
Wie viel Zeit wird dafür vergeudet?
Wir müssten das mal ehrlich recherchieren: Wie viel Prozent der Ausbildungszeit wird auf diesen "energiesparenden Tanzkurs" verwendet? Es gibt keine Zahlen darüber. Nur Gefühl. Davon aber reichlich. Und kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit dem Simulator. Das einzig Gewinnbringende daran ist die Schonung der Fahrlehrer-Naken-Muskulatur. Und auch der Nerven. Die vergeudete Zeit bleibt. Schließlich sitzt Ihr Kunde stundenlang vor diesen Bildschirmen.
Reset.
Zeit also, die Dinge beim Namen zu nennen und zu ordnen:
- Fahrschulen trainiernen die Bedienung von Kupplungspedal und Schaltung
- Dieses Training hat immer weniger Relevanz
- Es benötigt viel Zeit in der Führerscheinausbildung
- Weder Kunde noch Fahrlehrer haben besonders viel Spaß damit
- Es dient nicht vorrangig der Vermeidung von Verkehrstoten und -verletzten
- Es fehlt zusehends der Sinn dahinter
Also lassen Sie uns aufhören damit. Jetzt!
STOP. Jetzt!
Ich meine das wirklich so. Lassen Sie uns sofort aufhören mit diesem sinn- und spaßbefreiten Tanzkurs. Und ja ich weiß, Sie würden das sofort und gerne. Aber dazu müsste der Gesetzgeber endlich diese Schlüsselzahl abschaffen. Denn: Die Eltern bzw. Rechnungszahler Ihrer Kunden bestehen auf den "vollwertigen" Führerschein.
Eine Frage der Haltung
Und an dieser Stelle ärgere ich mich so sehr, über diese unendlichen Foreneinträge. Warum machen wir Fahrschulen es uns so einfach? Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist doch eigentlich die Ausrede, in Verantwortung zu kommen. Es ist bequem: "Ich muss ja nichts tun. Ich würde gerne. Und ich weiß, dass das auch auf Kundenseite toll ankommen würde. Aber leider kann ich nicht, solange der Gesetzgeber die Schlüsselzahl 78 einträgt."
Glauben wir denn wirklich ernsthaft, dass interessante Geschäftsmodelle vom Gesetzgeber erfunden werden? Und hoffen wir dann, dass wir die einzigen sind, die auf die Idee kommen, das umzusetzen? Und wie wollen wir dabei eigentlich einen Wettbewerbsvorteil generieren, wenn alle das gleiche machen?
Fangen Sie sofort an!
Ich zitiere Henry Ford an dieser Stelle: "Hätte ich meine Kunden gefragt, was sie sich wünschten, sie hätten sich ein schnellers Pferd gewünscht!"
Das ist großartig und bringt die Sache auf den Punkt. Fragen Sie nicht Ihre Kunden, ob sie auf Automatik ausgebildet werden wollen. Tun Sie es einfach. Sie sind doch der Profi in der Verkehrsausbildung! Sie wissen doch, dass eine Ausbildung von leicht nach schwer besser funktioniert. Sie haben doch ein Konzept, einen Schlachtplan, mit dem Sie Ihren Kunden mit geringstem Aufwand, dem besten Wirkungsgrad und maximler Verkehrssicherheit das Autofahren beibringen.
Starten Sie ein neues Ausbildungskonzept
Bei uns ist es "drive easy". Und natürlich darf Ihr Kunden entscheiden, ob er später, im Verlauf der Ausbildung auf den Schaltwagen wechseln möchte. Sie werden feststellen, es ist ihm auf einmal doch nicht mehr so wichtig. Und falls doch, hat er jede Menge Optionen:
- Wechsel gegen Ende der Ausbildung auf den Schaltwagen.
- Fahrerfahrung sammeln und später die SZ 78 verkürzt rausprüfen.
- Aussitzen und warten, dass der Gesetzgeber das von alleine regelt.
Der Nutzen des Kunden
Ich bin ein Fan davon. Nachdenken in Kundennutzen. Geld verdienen ist nur die Folge davon. Und lassen Sie uns mal spinnen, was da möglich sein könnte:
- Sie haben ab sofort eine Führerscheinausbildung, die mit deutlich weniger Fahrstunden auskommt. Dauerüberlasteten Fahrschulen dürfte das entgegenkommen.
- Sie haben ein Ausbildungskonzept, welches Spaß macht und schnelle Erfolge vermittelt statt stundenlanges Abwürgen und Hüpfen über die Kreuzung. Frei von Peinlichkeiten. Das spricht sich herum.
- Sie senken den Zeitaufwand und die Verweildauer Ihres Kunden in der Führerscheinausbildung erheblich. Und Sie wissen selbst am Besten, welche Bedeutung das für die GenZ hat.
Und Sie dürfen sich gerne auf einen zweiten Zettel die eigenen Vorteile aufschreiben. Es gibt sie reichlich.
Geschäftsmodelle jenseits der FAHRSCHULE
Nun wird der Wegfall des Automatikeintrages wohl wie folgt geregelt werden: Fahrschüler werden auf Fahrzeugen ohne Kupplung und Schaltung ausgebildet. Die praktische Prüfung wird auf diesen Fahrzeugen abgelegt. Mit bestandener Prüfung erhält der Prüfling eine Bescheinigung, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen ohne Schaltung berechtigt. Er kann nun zu jeder Zeit in einer Fahrschule eine Fahrerschulung machen und bekommt dies durch die Fahrschule bescheinigt. Mit dieser Bescheinigung erhält er seinen Führerschein ohne Eintrag der Schlüsselzahl 78. Inhalte dieser Fahrerschulung sind noch unklar. Eine erneute praktische Prüfung gibt es nicht.
Die Fahrerschulung B78
Ich ziehe sofort den Vergleich zu B96. Und während die einen immer noch versuchen, B96 Anfragen auf BE zu missionieren, haben die anderen ein prächtiges Geschäftsmodell außerhalb der FAHRSCHULE entwickelt.
Und ich bin sehr sicher, genau das gleiche wird hier passieren. Und ich mag Sie wachrütteln. Uns kann gar nichts besseres passieren, als eine Fahrerschulung B78! Schlanke Ausbildung mit schnellen Lernerfolgen und weniger Fahrstunden. Nachgeordnet und außerhalb der Preislisten des FahrlG eine Schulung. Wow! Wenn die analog zu B96 sogar als Gruppenschulung möglich wäre, dann haben wir die eierlegende Wollmilchsau. Und die Frage, die Sie sich jetzt bitte stellen lautet: Mache ich genau so weiter wie bisher? Weil nur wer Schalten und Kuppeln kann ist ein vollwertiger Autofahrer! Oder nutzen Sie das was da kommen wird schon jetzt, um ein Geschäftsmodell zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln und Ihren Kunden maximalen Nutzen zu bieten?
Killen Sie "Automatik"
Ein Gedanke zum Schluss: Der Begriff "Automatik" ist in unserem Land traditionell negativ belegt. Wer nicht Schalten kann ist so blöd, dass er dafür sogar einen Deppenstempel im Führerschein bekommt. Bis sich dieses Bild in der Elterngeneration gewandelt hat, wird noch einige Zeit vergehen. Ihre Aufgabe als Fahrschule ist es nicht, das zu missionieren. Daher reden Sie niemals von Automatik! Streichen Sie diesen Begriff. Und kaufen Sie sich bitte auch kein Automatik-Auto. Das ist kontraproduktiv. Besorgen Sie sich ein Auto, welches systembedingt dieses dritte Pedal und den zugehörigen Schaltknüppel gar nicht mehr braucht. Dann sind Sie ein zukunftsfähiger Mobilitätsdienstleister mit Ideen. Und auch hier möchte ich gerne dem Gejammer vorbeugen. Setzen Sie sich mit Elektromobilität auseinander. Sie ist längst in den Fahrschulalltag integrierbar. Und machen Sie diese Auseinenadersetzung nicht zur ethisch/politischen Diskussion. Das ist Quatsch. Machen Sie es, um in neue Geschäftsmodelle für Ihren Gewerbebetrieb vorzustoßen.
Hausaufagben
Ich hoffe, Sie haben meinen Weckruf gehört. Sicherheitshalber schreibe ich die To Do's hier nocheinmal zusammen:
- Schaffen Sie sofort ein neues Ausbildungskonzept "drive easy"
- Fragen Sie nicht Ihre Kunden, sondern TUN sie!
- Denken Sie in Geschäftsmodellen
- Bauen Sie passende Preistarife (Wechsel, Rausprüfung, Fahrerschulung B78)
- Fangen Sie jetzt damit an (und nicht erst, wenn alle versuchen ihre Schaltfahrzeuge wieder loszuwerden)
- Vergessen Sie den Begriff "Automatik"
- Erkundigen Sie sich nach landesspezifischen Förderungen und kaufen Sie jetzt ein Elektro-Fahrschulauto. (Und weil es die deutschen Hersteller immer noch nicht wollen, schauen Sie bitte woanders).
- Sammeln Sie Erfahrungen (Do How statt Know How)
- Besetzen Sie das Thema als einer der Ersten
Es ist Ihre Entscheidung. Aber treffen Sie sie!
Wir unterstützen Sie, wenn Sie wollen.
Ihr Nils Hartig
Im Juni 2019
PS: Da kommt übrigens noch eine Fahrerschulung für uns Fahrschulen. Davon aber mehr im nächsten Hartig-Blog ;-)