Folgende Grundannahme: Sie haben erste Fahrstunde. Neben Ihnen sitzt Ihre Fahrschülerin/Ihr Fahrschüler. Bevor Sie mit der Einweisung bzw. den Erklärungen beginnen, stellen Sie Ihren Fahrschülern wahrscheinlich eine Eröffnungsfrage. Richtig? Schreiben Sie die Bitte mal auf. Ich komme gleich darauf zurück. Warum das wichtig ist, lesen Sie im Hartig-Blog für den November 2018.

Video Blog blankoWie komme ich eigentlich auf das Ritual der Eröffnungsfrage einer ersten Fahrstunde? Mir ist folgendes aufgefallen: In den Modulen #Fahrausbildung 3.0 als auch in der #Theorie 3.0 mache ich mit meinen Fortbildungsteilnehmern eine interessante Erfahrung. Sehr oft stelle ich zwei Stühle im Schulungsraum nebeneinander und bitte einen der anwesenden Fahrlehrerinnen/Fahrlehrer (ich bleibe im Folgenden aus Gründen der Einfachheit bei der männlichen Form), auf dem rechten Stuhl Platz zu nehmen. Ich setze mich gerne auf den Linken. Schnell ist allen klar, dass wir eine Fahrstunde simulieren. Ich bitte dann meinen Fahrlehrer, mit mir eine typisch erste Fahrstunde zu beginnen.

Was passiert nun?

Mein Fahrlehrer auf dem Stuhl neben mir fängt an zu erklären, was er normalerweise in der ersten Fahrstunde tut. Ich bitte ihn, das nicht zu erklären, sondern einfach mal mit mir tatsächlich zu tun. Klar, es ist eine gestellte Situation. Auf der anderen Seite, haben wir Fahrlehrer schon so viele erste Fahrstunden gegeben, dass das auch in der Simulation gelingen sollte.

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Die Eröffnung

Es ist eigenartig, aber es passiert in neun von zehn dieser Simulationen immer genau so: Fahrlehrer beginnen eine erste Fahrstunde mit einem Eröffnungsritual. Genauer gesagt, ist es eine Frage. Und die geht in ein paar Variationen immer so:

Bist du schon mal gefahren?

Variationen davon lauten auch: Hast du es schon mal ausprobiert? Hast du bei deinen Eltern zugeschaut? Warst du schon auf dem Simulator?

Na? Welche Frage steht bei Ihnen auf dem Zettel? Und ich habe ein paar Fortbildungsmodule gebraucht, um das zu verstehen. Aber es ist verblüffend. Diese Eröffnungsfrage höre ich ziemlich zuverlässig. Aber warum?

Antworten

Nähern wir uns dem "Warum" mal über die Antworten. Stimmen Sie mit mir überein, dass der überwiegende Teil Ihrer Fahrschülerinnen und Fahrschüler keine eignene Erfahrungen in Sachen Auto fahren hat? Also wird die Antwort auf ihre Frage (egal in welcher Variante Sie sie stellen), ein NEIN! sein. Richtig? Klar. Schließlich sitzt Ihr Kunde ja genau aus diesem Grund neben Ihnen. Könnte er Autofahren, wäre er nicht da.

In meinen Simulationen, wird dieses "Schüler-NEIN!" sehr oft mit einem "Fahrlehrer-Pfffffft" kommentiert. Vielleicht kommt es im Text nicht so gut rüber. Aber ich spüre bei meinem Fahrlehrer regelrechte Enttäuschung. Manchmal entfährt ihm sogar ein "Oje" oder ein vorausahnendes "Ok, also volles Programm".

Sehnsucht?

Ja, ich glaube das Motiv der Eröffnungsfrage heißt Sehnsucht. Und der Wunsch nach Einfachheit. Weniger Erklärungen. Konkret: Wäre unser Kunde schon Schwarzgefahren, wäre die erste Fahrstunde leichter. Wir müssten nicht ganz von vorne beginnen. Sitz - Spiegel - Sicherheitsgurt. Wir müssten nicht alles erklären. Er hätte auch schon eine grobe Vorstellung von Gas, Kupplung und wo der erste Gang liegt. Auch wenn die nicht immer richtig ist. Und unser Schüler wäre kein verdammter Anfänger, dem ich alles erklären müsste. Es wäre vielleicht ein bisschen wie früher. Da konnten "die" einfach mehr. Da waren "die" motorisch besser drauf. "Die" haben auch besser zugehört und konnten selbständiger Entscheidungen treffen ...

Aber was kommt an?

Ich verstehe die Fahrlehrer-Reaktion. Und ich bin sicher, in meinen ersten Fahrstunden ist die Reaktion ähnlich. Aber was kommt beim Kunden als Ergebnis der Fahrlehrer-Reaktion an? Was hört sie oder er im "Fahrlehrer-Pfffft"? 

Motivation klingt anders.

Lösung

Nun sind wir bei FORTBILDUNG33.de ja nicht dafür da, Situationen anzuprangern, sondern viel mehr über Lösungen nachzudenken. Wie schaffen wir es, dass Schüler die positiven Fähigkeiten eines "Schwarzfahrers" mitbringen, ohne tatsächlich schwarz zu fahren? 

Und die Lösung ist verblüffend einfach. Autofahren sind Handlungsautomatismen. Und wer das in Frage stellt, liest bitte nochmal den Hartig-Blog Juni 2018. Und damit ein Handlungsablauf zum Automatismus wird, benötigt er Wiederholungen. So lange bis er sitzt. Mit geschlossenen Augen.02 Webseite gross HB 3

Geschlossene Augen

Genau das ist das Stichwort. Wer etwas mit geschlossenen Augen kann, der hat einen Automatismus gebildet. Auf Deutsch: Wer mit geschlossenen Augen den Sitz einstellen kann, der kann es auch in der ersten Fahrstunde. Wer mit geschlossenen Augen den Anfahrvorgang drauf hat, kann es auch im Auto. Und überall wo komplexe Handlungsautomatismen gebildet und trainiert werden, werden geschlossene Augen bemüht. Mentaltraining. Der bordeigene Simulator. Das Kopfkino. Mental Replay.

Mentales Schwarzfahren

Stellen Sie sich das mal einen Augenblick lang vor: Ihr Theorieunterricht ist kein Abgesang sinnfreier Inhalte der Anlage 1 der FahrschAusbO. Ihr Unterricht ist mentales Schwarzfahren. Alle Handlungsabläufe, die ein Autofahrer braucht, werden bereits im Unterricht angelegt und mental trainiert. Wenn das gelingt, wäre das Ergebnis eine erste Fahrstunde, in der Erklärungen die Ausnahme sind. Frei von Peinlichkeiten und Bloßstellungen. Schüler wüssten, was zu tun ist. Die Handgriffe sitzen. Fahrstunde eben, keine Erklärstunde. Und wenn der "Hackel-Schorsch" damit erfolgreicher Rennrodler geworden ist, Sebastian Vettel Weltmeister wird, warum sollte das dann nicht fürs Autofahren auch funktionieren?

Unvorstellbar?

Ich weiß. Wir bei FORTBILDUNG33.de glauben daran, den Status quo in Frage zu stellen. Wir finden einen Sinn darin, Gewohnheiten zu hinterfragen. In Zeiten des immer schnelleren Wandels, bringt das die Möglichkeit, Zukunft selbst zu gestalten. Und so geschieht es einfach, dass wir in den "3.0-Fortbildungsmodulen" mit Ihnen diese verrückten Ideen in die Tat umsetzen. Mentales Schwarzfahren. Worauf warten Sie noch?

Ihr Nils Hartig
November 2018