Der Hartig-Blog für den Juni startet mit einer kleinen Quizzfrage: "Was kann eigentlich ein Autofahrer, wenn er Auto fährt?". Blöde Frage? Ich weiß. Und ja, wie fast immer, führe ich was im Schilde. Lassen Sie sich darauf ein und denken Sie über eine Antwort auf meine Frage nach. Ich verspreche Ihnen, wir lösen das gleich auf.
Diejenigen unter Ihnen, die im letzten Jahr einen Platz im beliebten Modul Fahrausbildung 3.0 ergattern konnten, sind mit meinem Thema vielleicht vorbelastet. Das Modul startet, indem wir die Erwartungen an eine moderne Fahrausbildung zusammentragen. Das geschieht aus vier Richtungen: Was erwartet der Kunde von der Fahrausbildung? Was erwarten die Eltern (wir benutzen hier gerne das böse Wort Helikoptereltern)? Was sind die Erwartungen der Fahrlehrerin bzw. des Fahrlehrers? Und was braucht der Chef, also der Unternehmer?
Struktur, Plan und Kotztermine
Die Antworten auf diese Fragen möchte ich hier nicht weiter vertiefen. Schließlich ist dieser Blog kein Bericht über Fahrausbildung 3.0. Nur soviel: Bei den Erwartungen aus der Rubrik Kunde, finden wir üblicherweise sehr schnell heraus, dass heutige Schüler wenig Zeit mitbringen, die Ausbildung gerne mit so wenig Aufwand wie möglich absolvieren wollen und sich in der Schule als erfolgreiche Strategie das sogenannte "Bulemielernen" angeeignet haben. Hilfreich dabei ist alles, was Struktur und Plan bietet. Und ja, damit das Projekt Führerschein auch über die Ziellinie kommt, brauchen sie "Kotztermine". Gnadenlos. Von Anfang an. Denn alles was keinen Temin hat, fällt zwangsläufig vom Schreibtisch hinten herunter.
Zurück zu meiner Quizfrage:
Was kann ein Autofahrer? | |
Autofahren! | |
Ja, klar. Aber was hat er da eigentlich gelernt? | |
Na ja, das Fahrzeug zu bedienen! | |
Richtig. Aber machen Sie das mal größer. Abstrakter. Woraus besteht Autofahren? | |
Aus vielen kleinen Einzelhandlungen! | |
Und wie laufen die ab? | |
Na automatisch. Und möglichst ohne nachzudenken! | |
Also ist Autofahren nichts anderes, als das permanente Aneinanderreihen von Handlungsabläufen. Möglichst automatisiert. Richtig? | |
Richtig! |
Automatisierte Handlungsabläufe
Nochmal zum Mitschreiben: Autofahren ist das permanente Aneinanderreihen von automatisierten Handlungsabläufen! Im Modul Fahrausbildung 3.0 finden wir hier üblicherweise 100% Konsens. Und jetzt kommt der diabolische Teil mit einer ganz konkreten zweiten Frage:
Über wie viele Handlungsabläufe reden wir?
An dieser Stelle herrscht immer verblüffendes Schweigen. Ratlosigkeit. Das Antwortspektrum reicht in den Fortbildungen von drei bis unendlich vielen Abläufen. Was ist Ihre Antwort auf die Frage nach der Zahl der Handlungsabläufe, die ich fürs Autofahren draufhaben muss? Etwa so: Keine Ahnung? Das kann man so gar nicht sagen? Das kommt darauf an?
Eigentlich absurd
Da haben wir Fahrschulen einen struktur- und planverliebten Bulemielerner-Kunden. Und der hat immer weniger Lust (-Motive), seinen Führerschein zu machen. Aus BF17 wird da gerne mal BF19. Sein Terminkalender platzt aus allen Nähten. Mit Mühe und Not findet er noch eine Lücke, um sich Zeit für den Führerschein zu reservieren. Dazu liebt er Pläne, Strukturen und Checklisten, an denen er sich abarbeiten kann. (Und wer das immer noch in Frage stellt, der überprüfe, wie oft er von seinen Kunden die Frage hört, wann welches Unerrichtsthema stattfindet. Das ist einer von vielen Beweisen für Plan- und Strukturtreue).
Jetzt erklären wir ihm, Autofahren sind Handlungsautomatismen. Gerne möchte er jetzt wissen, wie viele er parat haben - oder um im Bulemie-Bild zu bleiben - anfressen und wieder erbrechen muss. Denn genau das würde ihm helfen: sein Lernen zu strukturieren, abzuhaken und zu erledigen. Nur leider haben wir Fahrschulen auf diese völlig berechtigte Frage unserer Kunden keine Antwort. Und schon gar keine Checkliste. Absurd, oder?
Wo stehen Sie jetzt gedanklich?
Lehnen Sie die Kausalität ab? Oder suchen Sie nach einer Zahl der Handlungsabläufe? Oder ist Ihnen das zu anstrengend? In den ersten beiden Fällen können wir Ihnen weiterhelfen. In letzterem nicht.
Stellen Sie sich das mal vor!
In Ihrer Fahrschule gäbe es einen Katalog sowie eine exakte Beschreibung der Handlungsabläufe, die ein junger Mensch trainieren und können muss, um Auto zu fahren. Sie wären ein Leuchtturm für Ihre Kunden. Sie würden komplizierte Dinge einfach machen. Sie böten echten Kundennutzen. Fressen und kotzen in kleinen Häppchen. Und immer einen Haken dahinter, wenn was erledigt ist. Mit Meilensteinen und Trophäen als Lernbeschleuniger. Und kontrollverliebte Helikoptereltern hätten Sie auch an Bord. Auch für den Fahrlehrer wäre die Fahrstunde einfacher. Sie wäre weniger Erklärstunde, sondern das, was sie eigentlich sein soll: Praxistraining!
Eine Hausaufgabe
Wenn Sie den Blog bis hierhin überlebt haben, gebe ich Ihnen gerne eine kuriose Hausaufgabe mit auf den Weg. Sie starten den morgigen Fahrstundentag mit einer Rolle Klebepunkte. Wenn Sie mir hinterher ein Beweisfoto senden, schicke ich Ihnen die Kleberolle kostenfrei zu. Nun zur Aufgabe: Jedes Mal, wenn Sie sich in der Fahrstunde dabei ertappen, einen Handlungsablauf zu erklären, kleben Sie einen Punkt aufs Handschufach. Und genau davon will ich abends ein Foto. Keine Angst - je mehr Punkte auf Ihrem Armaturenbrett kleben, desto richtiger ist der Gedanke dieses Blogs. Und desto größer ist Ihr Potenzial, Kundennutzen zu bieten. Wahrscheinlich werden Sie das eine ganze Woche lang tun müssen. Aber ich bin mir sicher: Wenn ich wieder ums Eck komme und Ihnen diese böse Frage nach der Zahl der Handlungsabläufe erneut stelle, haben Sie ein Zahl! Garantiert!
Also los!
Trauen Sie sich! Ran an die Arbeit! Tun Sie jeden Tag etwas, das Ihnen ungewohnt erscheint! Das ist der Weg in die Alleinstellung. In den Wettbewerbsvorteil. Übrigens: Wir wären nicht FORTBILDUNG33.de, wenn wir nicht längst Werkzeuge, Hilfsmittel, Strukturen und Ideen hätten, Sie dabei zu unterstützen.
In diesem Sinne. Maximalen Kampferfolg!
Ihr Nils Hartig
Juni 2018